Redebeitrag auf der Mahnwache zu den rassistischen Morden in Hanau

Erstmal Dankeschön, dass so viele von Euch (wieder einmal) spontan zu dieser leider notwendigen Kundgebung gekommen sind. Uns alle eint die Trauer um die Opfer dieses rassistischen Terroranschlages. Wir stehen hier gemeinsam und trauern. Und in Solidarität mir den Betroffenen Angehörigen wiederhole ich diese Worte auch auf türkisch und kurdisch: Yas tutyoruz. Em xemgin in.

Wieder einmal gab es also einen Anschlag und schon wieder war es angeblich ein „geistig-verwirrter“ Einzeltäter. Aber selbst wenn der Täter dieses Verbrechen ohne erkennbare Mithilfe begangen haben sollte, so ist seine Tat eingebettet in unsere aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse: Nazis und Faschisten fühlen sich berufen, den „Umsturz“ herbeizuführen, den ein Björn Höcke predigt.

Höcke hat erst diesen Montag auf der 200. Kundgebung der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung gesprochen, Zitat: „Die Herrschaft der verbrauchten Parteien und Eliten muss abgelöst werden, und wir werden sie ablösen. Das Land steht Kopf. Wir müssen es wieder auf die Füße stellen, wir müssen das Unterste wieder nach unten stellen.“ und weiters kündigte er praktisch einen Umsturz an und sagte, wenn die AfD an der Macht sei, „werden wir die sogenannte Zivilgesellschaft, die sich aus Steuergeldern speist, leider trockenlegen müssen“.

Es ist UNERTRÄGLICH, dass wir im Wahlkampf gerade wieder fast täglich stundenlange – als Wahveranstaltung getarnte – Dauerkundgebungen von Pegida und BiA erleben und ertragen müssen, in denen antisemitische, rassistische und volksverhetzende Inhalte verbreitet werden. In genau deren Umfeld bewegt sich nicht nur der rechtskräftig verurteilte Pegida-Chef Heinz Meyer, es bestehen auch Verbindungen zum Dritten Weg, der identitären Bewegung und Wodans Erben. Unter den 12 am Wochenende verhafteten Nazis, die Anschläge auf Moscheen vorbereitet haben sollen, befindet sich auch der stadtbekannte Frank H aus München.

Ich fordere das Kreisverwaltungsreferat auf, diese unsäglichen Veranstaltungen sofort zu unterbinden und den (zugegeben mühsamen) Weg durch die Gerichte auf sich zu nehmen, bis hin zum Verfassungsgerichtshof. Wir Münchner*innen wollen diesen Müll nicht mehr hören, diese Hetze nicht mehr sehen und diese Verunglimpfung unserer Menschenrechte und Werte nicht mehr aushalten!

Unter den Verhafteten vom Wochenende befindet sich aber auch ein Polizeibeamter. Und das ist nicht der erste Fall, immer mehr rechte Chatgruppen in Bundeswehr und Polizei fliegen auf und dabei wird immer offensichtlicher, dass die Staatsorgane ein grundlegend strukturelles Problem bei der Bekämpfung neofaschistischer Organisationen haben. Wir wissen das nicht erst seit den jüngsten Vorfällen. Hans-Georg Maaßen als ehemaliger Verfassungsschutzpräsident und Mitglied der sog. Werteunion tritt nach wie vor für eine Zusammenarbeit von CDU und AfD ein und er twitterte heute morgen um 8:35 (der Tweet wurde inzwischen wieder gelöscht):

„!sozialistische Logik: Täter sind immer rechts, Opfer immer links. Man braucht sich nicht mehr mit Stalin, Mao, Pol Pot, Ulbricht … auseinanderzusetzen, weil sie Nazis waren. Der Haken daran ist: nach dieser Denke sind sie selber rechts. Antifa = Nazis.“

Die Häufung rechter Anschläge und Gewalttaten in jüngster Zeit führt uns brutal vor Augen, wie sehr das Zündeln der AfD seit ihrem Einzug in den Bundestag zu Bränden führt.

Dass sich der Täter von Hanau Shisha-Bars als Angriffsziel aussuchte, ist dabei kein Zufall. Die Kriminalisierung und Diffamierung von Shisha-Bars als Brutstätte von »Clan-Kriminalität« ist Teil der rassistischen Hetze, mit der Muslime und Menschen mit Migrationshintergrund seit Monaten verstärkt angegriffen werden.

Nicht nur AfDler, sondern auch Politikerinnen der sog. Mitte beteiligten sich in den letzten Monaten immer wieder am Verbreiten rassistischer Vorurteile und überzogen Shisha-Bars mit Razzien unter dem Vorwand der Bekämpfung organisierter Kriminalität. Auch sie haben damit die Stimmung bereitet für den rechtsradikalen Terror von Hanau.

Und in diesem Kontext werden die Äußerungen von Politikern, welche diese neuen Faschisten mit den Linken gleichsetzen und eine krude Extremismus-Theorie verbreiten zu weiteren Brandbeschleunigern für die nächsten Terroraktionen von Nazis. Es beginnt mit dem Wort, mit der Hetze, der Diskriminierung, dem falschen Vergleich zwischen „links“ und „rechts“ der hier und jetzt aufhören muss. Wir LINKE bekennen uns zu Demokratie und Menschenrechten, wir verteidigen diese gegen die Angriffe von Rassisten, Antisemiten und anderen menschenverachtenden Kräften.

Und wenn wir dafür eintreten, die Wirtschaft am Gemeinwohl orientiert zu organisieren, also nicht kapitalistisch, dann ist das kein Extremismus, sondern die einzig logische Schlussfolgerung, wie die Ausbeutung der Erde und der Menschheit durch eine klitzekleinen Minderheit gestoppt werden kann. Wir wollen ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Hautfarbe. Und wir müssen dieses Anliegen wohl auch in Politik, Verwaltung und Justiz erst noch zur höchsten Priorität machen.

Es kann doch nicht sein, dass jemand für Beihilfe an den NSU-Morden zu drei Jahren Haft verurteilt wird und jemand anderes für einen Flaschenwurf beim G20-Gipfel in Hamburg zu dreieinhalb Jahren.

Es muss jetzt endlich Schluss damit sein, Rechte zu verharmlosen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Polizei und Justiz nicht nur oft auf dem rechten Auge blind sind, sondern zum Teil genau gegen diejenigen vorgehen, die diese Gefahr schon lange erkannt haben und die aufstehen, um 75 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft endlich dafür zu sorgen, dass wir eine durch und durch antifaschistische Gesellschaft werden. DAS ist jedoch unsere historische Verpflichtung – wir können unsere eigene Geschichte nicht zurückdrehen. Aber wir können uns ihrer erinnern und mahnen und wir können verantwortungsvoll mit dem Auftrag umgehen, den uns die Überlebenden des NS-Terrors gegeben haben, nämlich dafür zu sorgen, dass von deutschem Boden nie wieder Faschismus stark werden darf. Und solange Politik und Behörden das nicht mit klarer Kante zum Ausgangspunkt jeglichen Handelns machen, solange müssen wir, die Zivilgesellschaft aufstehen und Farbe bekennen. Wir müssen rechten Terror als rechten Terror benennen, wir müssen diskriminierende und ausgrenzende Politik stoppen, wir müssen dafür sorgen dass der Verbund der Verfolgten des Naziregimes seine Gemeinnützigkeit zurückbekommt, wir müssen Zivilcourage zeigen und einschreiten, wo immer es zu Rassismus und Diskriminierung kommt, schon bei verbalen Formen müssen wir aktiv werden, denn: nein, man wird eben, verdammt noch mal, NICHT alles einfach mal so sagen dürfen.

Lasst uns zusammenstehen, redet so viel Ihr könnt, mit Euren Arbeitskolleg*innen, Nachbarn, mit den Freund*innen und dem Onkel und der Großtante. Wir müssen Demokratie leben und mit Leben erfüllen, wir müssen unsere Stimme erheben und als gigantischer Chor ein Lied von Vielfalt und Solidarität in die Welt tragen.

Nur gemeinsam können wir dieses braune Unheil besiegen. In diesem Sinne sollten wir uns auch ALLE dazu bekennen, Antifaschist*innen zu sein. Wenn man uns als AntiFa bezeichnet, dann verstehen wir das als Wertschätzung und als Zeichen dafür, dass unsere Botschaft ankommt:

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Ich bin ein Antifaschist, wir sind alle Antifaschist*innen!

München, 20.2.2020

Anmerkung: diese Rede wurde am Odeonsplatz schlussendlich in einer leicht gekürzten Version gehalten

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